„Der Geist ist willig, das Fleisch ist weise.“ *
Unser Körper schein das Klügste zu sein, was wir haben. Er erinnert sich genauer, als wir es mit bewusster Absicht jemals schaffen würden, er nimmt feiner wahr, er fühlt und bewegt sich präziser. Wenn wichtige Emotionen, Empfindungen oder Wahrnehmungen es nicht in unseren Wahrnehmungsbereich schaffen, also „abgespalten“ werden, dann übernimmt der Körper ihre „anwaltliche Vertretung“. Wir merken das vielleicht daran, dass wir Schmerzen bekommen oder krank werden. Dies geht über die in der Psychosomatik beschriebenen Zusammenhänge zwischen Gefühlswelt und Körperreaktionen hinaus.
Der Körper hat ein eigenes, sensomotorisches Gedächtnis. Es speichert Situationen, Bewegungen und Eindrücke in den Nerven, Muskeln und Knochen. Unsere Alltagssprache weiß das recht gut, sie kennt Redewendungen wie „Der Schreck steckt mir in den Knochen.“ oder „Das Unglück geht mir unter die Haut.“ Normalerweise ist die Aufmerksamkeit nicht besonders auf die Körperwahrnehmung gerichtet. Er funktioniert, und gut ist’s. In der Körper-Arbeit dagegen hören wir dem eigenen Körper aufmerksam zu, und zwar von innen her. Er steckt voller Ressourcen und Kräfte. Wir lernen sie besser kennen und auch nutzen, etwa über den Atem. Dazu genügen sehr einfache Achtsamkeitsübungen, außerdem ist phänomenologische Aufstellungsarbeit immer Körperarbeit schlechthin.
In den Körpern vieler Menschen leben unvollendete Geschichten. Das können schmerzhafte, zum Teil traumatische Erfahrungen, etwa Geburtskomplikationen, Entbehrungen, Unfälle oder schwierige emotionale Verhältnisse während der Kindheit sein, sogar einschneidende Erlebnisse der Eltern und der Generationen vor ihnen. Wir sind ja deren Fleisch und Blut, daher tragen wir auch deren unvollendete Geschichten im Leibe. Eine Körper-Geschichte, etwa die eines Unfalls, ist unvollendet, wenn der Körper nicht bemerkt hat, dass die Lebensgefahr vorüber ist. Dann steckt die Überlebensenergie von damals fest. Überlebensenergie, wie sie etwa für Kampf oder Flucht gebraucht wird, stört die alltäglichen Normalfunktionen, darum will der Körper sie unbedingt loswerden. Zu diesem Zweck entwickelt er nachdrückliche Hinweise wie vielleicht die Posttraumatische Belastungsstörung oder andere Symptome, bis hin zu schweren Krankheiten.
In der Körper-Arbeit lassen wir mithilfe von Achtsamkeit und Körperwahrnehmung den Körper seine Geschichten erzählen und vor allem, sie zu Ende erzählen. So bekommen auch schwere „Traumata“ die Gelegenheit, sich behutsam aufzulösen. Sie können sich von der lähmenden Schreckstarre in das verwandeln, was sie sind: eine schlechte Erinnerung, die zu uns gehört, aber nicht weiter stört. Natürlich spielt dabei der Kontakt zu den damaligen Gefühlen eine entscheidende Rolle. Gefühle sind nun mal Sache des Körpers. Meine Aufgabe ist es, diesen Kontakt so zu begleiten, dass er angemessen dosiert und im geeigneten Rhythmus verläuft. Damit beugen wir Retraumatisierungen wirksam vor.
Wenn Ihr Körper sich so äußert, dass Sie vielleicht erfahren möchten, welche Geschichten er zu Ende zu erzählen hat, vereinbaren Sie doch einen Einzeltermin oder kommen zu einem offenen Aufstellungsseminar.
* Wilfried Nelles im Gespräch. Außerdem beziehe ich mich oft auf die Trauma-Arbeit von Peter Levine (Somatic Expieriencing SE).